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Hitler der Vegetarier und sein Tierliebe

Die Wikipedia enthielt bis 2011 zum Thema Hitler und Vegetarismus folgenden Absatz:

„Hitler war seit seiner Frühzeit Nichtraucher und trank keinen Alkohol, in seiner Spätzeit auch keinen Kaffee und Schwarztee. Zudem wurde er 1932 aus Furcht vor einer Magenkrebs-Erkrankung gemäßigter Vegetarier.[195] … Manche Historiker erklären Hitlers Vegetarismus als psychische Reaktion auf den Suizid seiner Nichte Geli Raubal,[197] andere aus seiner Verehrung für Richard Wagner, der rassistisch motivierte vegetarische Ideen vertrat,[198] wieder andere aus seiner zunehmenden Hypochondrie.[199]“

Nun ein Auszug aus „Fälschung, Dichtung und Wahrheit über Hitler und Stalin“ (Werner Maser, 2004, OLZOG Verlag, Fußnoten wurden durch die OCR-Software entfernt. Im Original sind alle Stellen im Detail belegt.)

Luis Trenker und sein frei erfundenes „Tagebuch“ der Eva Braun

1948, dreieinhalb Jahrzehnte vor den Kujau-„Stern“-Fälschungen hatte eine an¬dere Fälschung, die den Titel „Tagebuch der Eva Braun“ trug, nahezu ebenfalls so spektakulär von sich Reden gemacht, obwohl sie im Vergleich zur Kujau¬„Stern“-Fälschung allerdings bestenfalls als „grober Unfug“ bezeichnet werden konnte und das Manuskript den Verleger des Nürnberger Olympia-Verlages, in dem das Wochenblatt „Wochenend“ erschien, auch nur 3.500 Mark gekostet hat¬te. In diesem Falsifikat war es nicht um angebliche Notizen und heimliche Be¬kenntnisse Adolf Hitlers, sondern um ein angebliches Tagebuch seiner Geliebten Eva Braun gegangen. Der aller Welt bekannte Schauspieler, Filmregisseur und Schriftsteller Luis Trenker trat, geschickt arrangiert, mit dem Anspruch und der Behauptung auf, von Eva Braun, die er seit Jahren persönlich recht gut kannte, in Kitzbühel einen 96 Schreibmaschinenseiten umfassenden Text erhalten zu ha¬ben, den er nach ihrem Tod veröffentlichen zu müssen meinte. Zuvor war ein Agent namens Geo Kelber in Vertretung des französischen Blattes „France Soir“ an den Verleger des Nürnberger Olympia-Verlages herangetreten, hatte ihm das „Tagebuch“ angeboten und behauptet, daß Eva Braun Trenker ermächtigt habe, über die „geheimen Aufzeichnungen in ihrem Tagebuch“3 nach ihrem Tode frei verfügen zu können. Joseph E. Drexel, der ursprüngliche Mitinhaber des Olympia-Verlages, vermutete später, daß der von Unwahrheiten strotzende „Tagebuch“-Text von Trenker, Gaston Ulman und Charly Ladurner „zusammen-gebastelt“‚ worden war und Trenker, dessen Film „Der Rebell“ Hitler vier Mal gesehen und immer wieder gelobt hatte, letztlich nur als bekanntester Prominen¬ter der Zeit, vorübergehender Skilehrer und tatsächlicher guter Bekannter Eva Brauns als eine Art „Nachlaßverwalter“ vorgeschoben worden sei.

Daß der Text nicht mit der Hand geschrieben war — wie Eva Brauns authentisches Tagebuch von 1936, sondern mit der Schreibmaschine, irritierte den Verleger nicht. Und selbst die fehlende handschriftliche Unterschrift bewog ihn nicht zur Skepsis. Doch anders als der „Stern“, sah sich der Verleger des Wochenblattes „Wochenend“ nicht als Missionar, der die Geschichte „neu zu schreiben“ emp¬fahl, sondern als Zeitschriften-Herausgeber, der vermeintliche Neuigkeiten ver¬breiten zu müssen meinte. 1953 bezeichnete er, der bestimmte Behauptungen im Manuskript persönlich abgeschwächt hatte, die Angelegenheit als „puren Unfug“, auf den er „hereingefallen“ sei. Und auch Luis Trenker versicherte Jahre später, „eigentlich nur einen Jux mitgemacht“ zu haben.‘

Trotz der von Dr. Wolf abgeschwächten Stellen und seiner entsprechenden Kom¬mentare ging Eva Brauns Schwester Ilse Fucke-Michels vor Gericht und erwirk¬te beim Landgericht München I am 10. September 1948 eine Einstweilige Ver¬fügung, die dem Verlag nach Erscheinen der 3. Folge untersagte, weiterhin die Behauptung aufzustellen, daß es sich um ein authentisches „Tagebuch“ Eva Brauns handele.‘ Das Gericht ließ zwar die Fortsetzung des Manuskriptab¬druckes zu, verfügte jedoch, daß bei jeder Folge der § 1 der gerichtlichen Ent¬scheidung in Fettdruck voranzustellen sei. Ihr Text: „Die Antragsgegnerin hat sich auf Grund der von den Antragsstellern vorgelegten eidesstattlichen Versiche¬rungen davon überzeugt, daß Eva Braun weder die unmittelbare noch die mittel¬bare Urheberin des Tagebuchs isei.it dessen Veröffentlichung die Antragsgeg-nerin in Nr. 1 des ,Wochenend` am 3. September 1948 begonnen hat und daß demzufolge das Tagebuch eine völlig freie Darstellung hinsichtlich der Bezie¬hungen zwischen Eva Braun und Adolf Hitler durch die Feder eines noch unbe¬kannten Autors im Tagebuch-Ich-Stil enthält.“

Die authentischen Tagebuchaufzeichnungen Eva Brauns (nur für Februar bis Mai 1935) waren banal und ohne Bedeutung für die historische Forschung, was Trenker und seine Mitautoren zu der Zeit noch nicht wußten. Da Trenker Eva Braun jedoch recht gut kannte, war er überzeugt, daß die Texte so formuliert wor¬den seien, wie sie es selbst — nach seiner Meinung — wohl getan hätte. Doch was das Pamphlet offenbarte, paßte nicht zu Eva Braun. Die Autoren hatten sich bei der Niederschrift an historische Vorlagen angelehnt, einige Passagen inhaltlich und zum Teil sogar wörtlich aus Vorlagen entnommen, Passagen aus einem 1913 erschienenen Buch der Gräfin Larisch-Wallersee plagiiert und fantasiereich Sze¬nen konstruiert, die den platten Torheiten der Kujau-Fälschung nicht nachstanden und ebenso wie dessen Erfindungen über Hitler mit Eva Braun nichts zu tun hat¬ten. Ein Beispiel für viele: „Für die Gäste hatte Dr. Ley, der Führer der Arbeiter-front, einen erlesenen Spaß vorbereitet. Ein Stier wurde mehrere Tage lang, ehe die Gäste eintrafen, der glühenden Sommerhitze ausgesetzt, ohne auch nur einen einzigen Tropfen Wasser zu erhalten. Dann, am Samstag Nachmittag, wurde das Tier auf einen abgezäunten schattigen Platz geführt und nun wurden ihm unbe¬grenzte Mengen von Wasser zugeführt. Der Stier, dessen Intelligenz anscheinend seiner Kraft nicht entsprach, begann wie ein Fisch zu trinken und bald stellte sich. die von Ley geplante Wirkung ein: Die Gedärme des Tieres platzten und vor einer amüsierten Zuschauerschaft ging es in Stücke. Besonders Hitler‘ und Himmler fanden den Einfall ,originell‘.

Hätten Trenker und Komplizen gewußt, daß der konsequente Vegetarier und Hundeliebhaber Hitler die Jagd auf Tiere ablehnte — und wie er über die Jäger dachte, wäre er sicherlich nicht auf die Idee verfallen, eine derartige Szene in das „Tagebuch“ hineinzudichten. Nachdem beispielsweise Joachim von Ribbentrop, Heinrich Himmler, dessen Adjutant Karl Wolff, Graf Ciano und einige weitere Militärs und Diplomaten Ende Oktober 1941 an einer Hasen- und Fasanenjagd im Sudetenland teilgenommen hatten — und Hitlers Militärs ins Führer-Haupt¬quartier zurückgekehrt waren, bemerkte er ironisch auf die Äußerung Wolffs, daß „man <während einer Jagd> aus der Arbeit und den Sorgen … ganz heraus¬gelöst“ werde: „Muß man zu dem Zweck Hasen und Fasanen umbringen? Die Mordlust bringt die Männer zusammen! Wie gut, daß wir die Hasensprache nicht verstehen! Die würden vielleicht in Ausdrücken von Euch reden wie: Laufen konnte er so nicht, das dicke Schwein! So ein alter Hase mit reifer Lebenserfah¬rung! Die größte Freude unter den Hasen wird sein, wenn sie merken, daß ein Treiber angeschossen ist!“

Trenker wußte von Eva Braun zwar, daß Hitler Evas Scotchterrier „Stasi“ (!) und „Negus“ gelegentlich witzelnd als „Handfeger“ bezeichnete und ihrem Kater „Peter“ nicht gerade sonderlich zugetan war, weil er auf Befehle anders als seine Schäferhündin „Blondi“ reagierte“, doch Hitlers besonderes Verhältnis zu Tieren und selbst auch zu gepflückten Blumen, die es in seinem Zimmer nicht geben durfte, weil er „keine Leichen“ im Zimmer haben wollte“, kannten die „Tage¬buch“-Erfinder nicht. Dem Urheber der „Endlösung der Judenfrage“ haben sie derartige Vorstellungen nicht zugetraut. Ihr fingiertes Eva-Braun-„Tagebuch“ bewies es.

Trenker hatte sich am 19. November 1946 vor dem Coup unter anderem auch an den mit ihm bekannten Kameramann Wolfgang Gorter gewandt und ihm mitge¬teilt, daß eine italienische Zeitung „eine Artikelserie über einzelne Persönlich¬keiten des Dritten Reiches“ veröffentlichen werde, zu denen auch Eva Braun gehöre. Er, Trenker, sei daher an Informationen über Eva Brauns Leben, über ih¬re Kindheit, Schulzeit, Familie und dem Umfeld und Ambiente interessiert und wünsche, daß Gorter ihm — gegen ein zugesichertes Honorar — die entsprechen¬den Einzelheiten beschaffen könne, ohne seinem Informanten allerdings zu of¬fenbaren, wozu er diese Details benötige.‘
Nach der Einstweiligen Verfügung vom 10. September 1948 zahlte der Verleger Dr. Wolf freiwillig 10.000 Mark an einen internationalen Flüchtlings-Kinder¬Fond.‘ Trenker, der angeklagte Kopf der Fälscherclique, nahm das Urteil wider¬spruchslos hin und verließ Deutschland, wo er erst 1953 (aus Italien) wieder auf¬tauchte.
8 Jahre zuvor hatte der Journalist Whyte Williams im Magazin LOOK (USA) ei¬ne dreiteilige Artikelserie geschrieben, in der er behauptete, „aus bester Quelle“ zu wissen, daß Hitler und Eva Braun verheiratet seien und ihr gemeinsames Le¬ben „typisch für das in jedem durchschnittlichen Haushalt“ anzutreffende Am¬biente wäre. „Im Gegensatz zu anderen Nazi-Größen, die sich an luxuriösen Speisendelektieren“, meinte Williams, „besteht Hitler darauf, sich auf die allge¬meinen Vorschriften für das Volk zu beschränken.“‚ Und, so „dichtete“ er wei¬ter, Eva Hitler melke täglich eine Hitler gehörende Kuh, deren Milch ihr Mann wegen der ihm verordneten Diät zu trinken pflege.‘ Williams Quintessenz: „Hit¬ler <ist> das deutsche Volk … Er ist ihr lebendes Symbol der Führung.“

Fantasiereich erfunden hatte der Journalist, daß Hitler zu der Zeit bereits mit Eva Braun verheiratet war — und unzutreffend war auch, daß Hitler eine Kuh besaß und Milch trank. Schon nach seiner vorzeitigen Entlassung aus der Landsberger Festungshaftanstalt nach seinem November-Putsch von 1923 hatte er zeitweilig vegetarisch gelebt, tierische Eiweiße als Nahrung abgelehnt und seit Herbst 1931 aufgehört, selbst Milch zu trinken und Käse zu essen. Von tierischen Produkten aß er seitdem lediglich Eier.
Wie Williams, erschien auch der zu der Zeit 25-jährigen und als Schauspielerin bereits hoch gelobten Marianne Hoppe, der späteren Ehefrau von Gustaf Gründ¬gens, Hitlers Lebensstil. Betroffen habe sie, wie sie im Juni 2000 in einem Inter¬view erzählte, 1933 während eines Besuches bei Hitler über die Einrichtung sei¬nes Schlafzimmers reagiert. „Und endlich“, sagte sie, „zeigte <Hitler> mir seine Wohnung <im Eckhaus gegenüber dem Hotel „Kaiserhof“. Plötzlich stehe ich also in seinem Schlafzimmer, ein Eisenbett, eine Glühbirne und ein Stuhl … ist aber ungemütlich <sage ich> und gehe schnell wieder raus.“